Süße-Gedichte Lessing
An der Vax
Du lobest Tote nur? Vax, deines Lobes wegen
Hab ich blutwenig Lust, mich bald ins Grab zu legen.
(Gotthold Ephraim Lessing)
Die Faulheit
Fleiß und Arbeit lob’ ich nicht.
Fleiß und Arbeit lob’ ein Bauer.
Ja, der Bauer selber spricht,
Fleiß und Arbeit wird ihm sauer.
Faul zu sein, sei meine Pflicht;
Diese Pflicht ermüdet nicht.
Bruder laß das Buch voll Staub.
Willst du länger mit ihm wachen?
Morgen bist du selber Staub!
Laß uns faul in allen Sachen,
nur nicht faul zu Lieb und Wein,
nur nicht faul zur Faulheit sein.
(Gotthold Ephraim Lessing)
Das Muster der Ehen
Ein rares Beispiel will ich singen,
Wobei die Welt erstaunen wird.
Daß alle Ehen Zwietracht bringen,
Glaubt jeder, aber jeder irrt.
Ich sah das Muster aller Ehen,
Still, wie die stillste Sommernacht.
Oh! daß sie keiner möge sehen,
Der mich zum frechen Lügner macht!
Und gleichwohl war die Frau kein Engel,
Und der Gemahl kein Heiliger;
Es hatte jedes seine Mängel.
Denn niemand ist von allen leer.
Doch sollte mich ein Spötter fragen,
Wie diese Wunder möglich sind?
Der lasse sich zur Antwort sagen:
Der Mann war taub, die Frau war blind.
(Gotthold Ephraim Lessing)
Die eheliche Liebe
Klorinde starb, sechs Wochen drauf
Gab auch ihr Mann das Leben auf.
Und seine Seele nahm aus diesem Weltgetümmel
Den pfeilgeraden Weg zum Himmel.
"Herr Petrus!” rief er. "Aufgemacht!”
"Wer da?” — "Ein wackrer Christ.”
"Was für ein wackrer Christ?”
"Der manche Nacht,
Seitdem die Schwindsucht ihn aufs Krankenbette brachte,
In Furcht, Gebet und Zittern wachte.
Mach bald!” Das Tor wird auf getan.
"Ha, ha! Klorindens Mann!
Mein Freund”, spricht Petrus, "nur herein!
Noch wird bei Eurer Frau ein Plätzchen ledig sein.”
"Was? Meine Frau im Himmel? Wie?
Klorinden habt Ihr eingenommen?
Lebt wohl! Habt Dank für Eure Müh!
Ich will schon sonstwo unterkommen.”
(Gotthold Ephraim Lessing)
Die Biene
Als Amor in den goldnen Zeiten
Verliebt in Schläferlustbarkeiten
auf bunten Blumenfeldern lief,
Da stach den kleinsten von den Göttern
Ein Bienchen, das in Rosenblättern,
wo es sonst Honig holte, schlief.
Durch diesen Stich ward Armor klüger,
der unerschöpfliche Betrüger
Sann einer neuen Kriegslist nach:
Er lauscht in Rosen und Violen;
Und kam ein Mädchen sie zu holen,
Flog er als Bien heraus und stach.
(Gotthold Ephraim Lessing)
Abschied eines Freundes
Schon hast du, Freund, der letzten letzte Küsse
Auf nasse Wangen uns gedrückt;
Schon schon, beim Zaudern unentschloßner Füße,
Den schnellen Geist vorweg geschickt.
Für uns dahin! Doch nein, dem Arm entführet,
Wirst du dem Herzen nicht entführt.
Dies Herz, o Freund, einmal von dir gerühret,
Bleibt ewig, trau! von dir gerührt.
Erwarte nicht ein täuschend Wortgepränge,
Für unsre Freundschaft viel zu klein.
Empfindung haßt der Reime kalte Menge,
Und wünscht unausposaunt zu sein.
Ein feuchter Blick sind ihre Zaubertöne;
Ein schlagend Herz ihr rührend Lied.
Sie schweigt beredt, sie stockt, sie stammelt schöne,
Ums stärkre Wort umsonst bemüht.
Es winken dir beneidenswerte Fluren,
Nur unsers Neides minder wert.
Zieh hin! und find auch da der Vorsicht goldne Spuren,
Um dich besorgt, von dir verehrt.
Dort herrscht die Ruh, dort ist der Lärm vergangen,
Der hier noch Musen stören darf,
Seit Pallas gern, auf Friederichs Verlangen,
Die spitze Lanze von sich warf.
(Gotthold Ephraim Lessing)
Wer war Lessing?
Lessing wurde am 22.01.1729 als Gotthold Ephraim Lessing in Kamenz (Markgraftum Oberlausitz) geboren. Er verstarb am 15.02.1781 in Braunschweig. Gotthold Ephraim Lessing war ein bedeutender und bekannter Dichter der deutschen Aufklärung. Seine theoretischen Schriften und Dramen hat der Entwicklung des Theaters einen wichtigen Weg zugewiesen. Ebenso wurde die öffentliche Wirkung von der Literatur langfristig beeinflusst. Gotthold Ephraim Lessing zählt zu den ersten deutschen Dichter, bzw. Dramatiker, dessen Werke bis dato ohne Unterbrechung in den Theatern aufgeführt werden.